München: Marienplatz
Der Marienplatz gilt seit der Gründung Münchens durch Heinrich den Löwen im Jahr 1158 als Mittelpunkt der Stadt. An diesem Ort, auf dem sich von 1315 bis 1854 der Markt befand, kreuzen sich die beiden Magistralen zwischen Karls- und Isartor, Sendlinger Tor und Schwabing. (Das Schwabinger Stadttor wurde im 19. Jahrhundert abgerissen.) Der Marienplatz ‒ der bis 1854 Schrannenplatz hieß ‒ liegt im Zentrum der Altstadt mit den vier Stadtvierteln Kreuzviertel, Graggenauer Viertel, Angerviertel und Hackenviertel. Deshalb werden vom Marienplatz aus nicht nur die Entfernungen gemessen, sondern auch seit 1833 (nach Möglichkeit) die Häuser in den Straßen nummeriert. Seit 1972 gehört der Marienplatz zur zentralen Fußgängerzone.
Mariensäule
Die elf Meter hohe Marmorsäule auf dem Marienplatz trägt eine dem flämischen Bildhauer Hubert Gerhard (um 1545 ‒ um 1620) zugeschriebene Marienstatue, die bis 1613 für den Hochaltar der → Münchner Frauenkirche verwendet worden war. Kurfürst Maximilian I. ließ die Schutzheilige Bayerns 1638 auf dem Markt- bzw. Schrannenplatz aufstellen, zum Dank dafür, dass München im Dreißigjährigen Krieg unzerstört geblieben war – aber auch, um seine Macht zu demonstrieren, denn der Platz vor dem (Alten) Rathaus war ein Symbol der Freiheit und Selbstverwaltung der Bürger, und der Herrscher hatte kein Recht, dort etwas zu verändern.
Mariensäule (Fotos: 2014)

Die barocken Heldenputti am Sockel – deren Originale das → Stadtmuseum aufbewahrt – kämpfen gegen Allegorien des Krieges (Löwe), des Hungers (Drache), der Pest (Basilisk) und der Ketzerei (Natter).
Fischbrunnen
Auf dem heutigen Marienplatz gab es wohl schon zu Beginn des 14. Jahrhunderts einen Brunnen. Der neugotische Fischbrunnen wurde 1862 bis 1865 von dem Bildhauer Konrad Knoll (1829 – 1899) gestaltet. Die königliche Erzgießerei Ferdinand von Millers goss die Bronzeplastiken: vier Metzgerburschen, die Wasser aus Eimern in den Brunnen schütten, darüber musizierende Kinder und ein Altgeselle.
1954 rekonstruierte Josef Henselmann (1898 – 1987) den im Zweiten Weltkrieg zerstörten Fischbrunnen und verwendete dabei drei erhaltene Metzgerfiguren. (Drei ebenfalls noch vorhandene Musikantenfiguren befinden sich inzwischen am → Karlstor.) Der Bronzefisch stammt von Josef Henselmanns Schüler Otto Kallenbach. Lange Zeit wurden am Fischbrunnen die Münchner Metzger-Lehrlinge freigesprochen. (Das entsprach der Übergabe des Gesellenbriefs.) Dabei hüpften die Lehrlinge ins Wasser und wurden gewissermaßen noch einmal getauft (»Metzgersprung«).


Fassaden am Marienplatz
»Warenfestung«
Das 1912 von Heilmann & Littmann im Zopfstil gebaute Roman-Mayr-Haus, ein Textilgeschäft an der Südwestecke des Marienplatzes (Kaufingerstraße 2), wurde zwar im Zweiten Weltkrieg beschädigt, aber man hätte es restaurieren können. Stattdessen wurde es 1969 abgerissen, um Platz für einen Neubau des Architekten Josef Wiedemann (1910 – 2001) zu schaffen, der in den Fünfzigerjahren das → Odeon, die → Alte Akademie, die → Hofgartenarkaden, das → Siegestor u. a. wieder aufgebaut hatte. Seit 1972 steht nun statt des Roman-Mayr-Hauses ein mit Granitplatten verkleideter Betonklotz (»Warenfestung«) am Marienplatz, und das gilt als eine der schlimmsten Bausünden der Nachkriegszeit.

Marienplatz 2 / Weinstraße 1
Dionysius Haertl übernahm 1760 eine seit 1715 existierende Bierwirtschaft am Marienplatz. 1954 brachte Max Lacher (1905 – 1988) an der Fassade (Weinstraße 1) mit eingefärbtem Putz auf einer schwarzen Grundschicht ein Sgrafitto an. Im Jahr darauf bemalte er die Fassade des 1951 wiederaufgebauten Nachbargebäudes an der Ecke Wein-/Kaufingerstraße (Marienplatz 2) mit einem Fresko.
Marienplatz 21
Ein Vorgängerbau an der Ecke Marienplatz/Rindermarkt wurde 1910 abgerissen und im Jahr darauf durch einen historisierenden Neubau nach Plänen der Architekten Georg Meister und Oswald Bieber ersetzt. Dieses Gebäude blieb als einziges Wohn- bzw. Geschäftshaus von der Bebauung des Marienplatzes aus der Vorkriegszeit erhalten.




Doppelfassade der Bäckerei Rischart
1883 gründete Max Rischart eine Bäckerei in München. Die 1932 eröffnete Filiale am Marienplatz 18 wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört, 1954 aber nach Plänen des Architekten Hansjakob Lill (1913 – 1967) neu auf- und später mehrmals umgebaut. Für die Rekonstruktion der Fassadenmalerei erhielt das Unternehmen Anjo Malerei in Haidhausen 2006 den Fassadenpreis der Stadt München. Die benachbarte Fassade wurde im selben Jahr von der Schweizer Künstlerin Maya Bringolf mit Aluminium-Reliefs gestaltet.



Onophrius, Marienplatz 17
Heinrich Primat kehrte 1416 von einer Pilgerreise aus dem Heiligen Land nach München zurück und erfüllte sein Versprechen, ein Gemälde zu Ehren des hl. Onophrius (um 320 – um 400) zu stiften, der 60 Jahre als Einsiedler in der Wüste gelebt hatte. Das Wohnhaus am Marienplatz 17 wurde zwar einige Male abgerissen und neu aufgebaut, aber nie mehr fehlte ein Bild des Onophrius. Das heutige Gebäude wurde Anfang der Fünfzigerjahre nach Plänen von Hansjakob Lill (1913 – 1967) errichtet, und Max Lacher (1905 – 1988) entwarf das Onophrius-Mosaik.

Kaufhaus Beck am Rathauseck
Wo heute das Kaufhaus Beck (»Am Rathauseck«) steht, befand sich früher das 1859 eröffnete Café Perzel mit einer üppigen Neurokoko-Stukkierung an der Fassade. Das im Zweiten Weltkrieg zerstörte Gebäude wurde 1954 nach Plänen des Architekturbüros Henneberger wieder aufgebaut, und 1956 gestaltete Max Lacher die Fassade mit Sgraffiti und Steinintarsien. Auf dem Bild präsentiert ein Verkäufer einer Kundin eine Stoffbahn.

Julia Capulet am Marienplatz
In Verona erinnert eine Statue von Nereo Costantini (1905 – 1969) an die weibliche Hauptfigur der Tragödie »Romeo und Julia« von William Shakespeare. Ein 2,65 Meter hohes Replikat schenkte die veronesische Cassa di Risparmio der Stadtsparkasse München zum 150-jährigen Jubiläum. Die Julia steht seit 1974 am Alten Rathaus. (Eine weitere Kopie befindet sich im → Shakespeare-Park in Bogenhausen.)
Einem Aberglauben zufolge bringt es Glück, die rechte Brust der Statue zu berühren – aber diese Gepflogenheit löste heftige Kritik aus, weil sie inzwischen als sexistisch angesehen wird. Im Juli 2023 wurde ein QR-Code angebracht. Wer ihn einscannt und dann die Kamera auf Julia richtet, sieht eine Installation der amerikanischen Künstlerin Tamiko Thiel (*1957) mit dem Titel »#JulietToo«, die in Anlehnung an die »MeToo«-Bewegung gegen das Betatschen protestiert.
Altes Rathaus
Ein Rathaus in München wurde bereits 1310 in einer Urkunde erwähnt, aber 1460 zerstörte ein Blitzschlag das Gebäude. Jörg von Halsbach errichtete 1470 bis 1480 einen spätgotischen Neubau. Das 1476 von Hans Wengler geschaffene Tonnengewölbe des Fest- und Tanzsaals gilt als architektonische Meisterleistung. Die Fassade wurde im 17. Jahrhundert barockisiert, und der Rathausturm erhielt eine Zwiebelhaube. 1778/79 gestaltete Augustin Demmel die Westfassade im Stil der Spätrenaissance um, aber Arnold Zenetti regotisierte das Bauwerk 1861 bis 1864.
Bei einem Bombenangriff am 25. April 1944 wurde das Alte Rathaus so schwer beschädigt, dass man den Turm im Dezember desselben Jahres wegen Einsturzgefahr sprengen musste. Der erste Teil des Wiederaufbaus erfolgte von 1953 bis 1958. 1977 wurde der Ratssaal rekonstruiert. Und 1971 bis 1974 errichtete Erwin Schleich den 56 Meter hohen Turm nach dem Vorbild aus dem Jahr 1493.

An der Fassade des Alten Rathauses befindet sich eine Standfigur des Stadtgründers Heinrich der Löwe.
Auf einer Säule am Eingang zum Alten Rathaus steht die Nachbildung einer der 1480 von Erasmus Grasser aus Lindenholz geschnitzten gotischen Moriskentänzer-Figuren, die sich seit 1931 im → Münchner Stadtmuseum befinden. Die von Johannes Goldner gestiftete Kopie wurde 1980 von Hans Klucker hergestellt.
Neues Rathaus

Album übers Neue Rathaus
Faschingszug
Am 4. Februar 2024 fand der 17. von der »Geselligen Vereinigung der Turmfalken« bzw. den »Damischen Rittern«
organisierte Faschingszug in München mit dem Prinzenpaar Katharina I. (Katharina Ibscher) und Frederik I. (Frederik Jehle) statt. Der Umzug begann in der Frauenstraße und bewegte sich dann durch Blumen- und Corneliusstraße, Rosental und Färbergraben zum Marienplatz.


U-Bahnhof Marienplatz
Der Architekt Alexander Freiherr von Branca (1919 – 2011) war sowohl für den Bau (1966 bis 1971) als auch den Um- bzw. Ausbau (2003 bis 2006) des U- und S-Bahnhofs Marienplatz verantwortlich. Als einziger der 1971 in Betrieb genommenen U-Bahnhöfe weicht der am Marienplatz von dem Muster ab, das Paolo Nestler (1920 – 2010) für die Münchner U-Bahn entworfen hatte.


Album über U-Bahnhöfe in München
S-Bahnbaustelle Marienhof
Wahrscheinlich verfügte die jüdische Gemeinde in München bereits im Mittelalter über einen Betraum, aber nachweisbar ist erst eine 1380/81 auf dem Areal des heutigen Marienhofs – damals Judengasse – errichtete Synagoge. Als die Juden 1442 nicht nur aus München, sondern aus ganz Oberbayern vertrieben wurden, übereignete Herzog Albrecht III. von Bayern das Gebäude seinem Leibarzt Dr. Hans Hartlieb, der es in eine Marienkapelle umfunktionierte. Kurfürst Max Emanuel ließ Enrico Zuccalli 1691 bis 1697 ein Kloster der Englischen Fräulein am heutigen Marienhof bauen. Bei der Säkularisierung wurden die christlichen Gebäude 1803 profaniert, und im ehemaligen Kloster richtete sich 1808 die Polizei ein.
Die im Zweiten Weltkrieg zerstörten Gebäude wurden 1945 abgeräumt, und 1956 legte man den »Marienhof« an, ein Provisorium, über dessen Ausgestaltung jahrzehntelang gestritten wurde. Der Architekt Adolf Gaston Abel (1882 – 1968) hatte bereits 1948 vorgeschlagen, den Marienhof zum Zentrum einer autofreien Innenstadt zu machen. Fünf Fußgängerzonen sollten strahlenförmig davon ausgehen. Aber stattdessen benutzte man den Marienhof erst einmal als Parkplatz.
Am 5. April 2017 erfolgte auf dem Marienhof der Spatenstich zum Bau der zweiten S-Bahn-Stammstrecke. Bis 2035 werden die Arbeiten an der neuen Verbindung zwischen Laim und Leuchtenbergring mindestens dauern. Einer der Bahnhöfe wird 41 Meter unter dem Marienhof gebaut. Dabei sind bis zu 75 Meter tiefe Bohrungen erforderlich.
2018 zäunte man die Baustelle mit einer 445 Meter langen und viereinhalb Meter hohen Lärmschutzwand ein. Sie besteht aus einem Gestell, in das mit Mineralwolle gefüllte Lärmschutzelemente aus Aluminium eingefügt sind. Die Fotodruck Forster Verkehrs- und Werbetechnik GmbH in Waidhofen an der Ybbs machte aus der Außenseite des Bauzauns mit auf Polyestergewebe gedruckten Fotos eine Bilderwand. Die Kosten betrugen rund eine halbe Million Euro.











