München: Ziegelbrenner und Lehmbarone

Ziegelbrenner

In der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts – 200 Jahre später als in Nord- und Ostdeutschland – wurde die lange Zeit vergessene Technik des Ziegelbrennens auch in Bayern wiederentdeckt.

Nach einem verheerenden Großfeuer 1327 in München verlangte Ludwig der Bayer 1342, beim Wiederaufbau zerstörter Holzgebäude mindestens die Dächer mit Ziegeln zu decken, um die Brandgefahr zu reduzieren. (Und aufgrund einer Kodifizierung des Baurechts mussten Bauprojekte ab 1489 offiziell angezeigt werden. Dadurch verstärkte sich die Kontrolle.) Zu den ersten Ziegelbauten in München gehörten das als Teil der zweiten Stadtmauer um 1310 errichtete → Sendlinger Tor, die ab 1424 angelegte Zwingermauer und die in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts gebaute Frauenkirche.

Bei dem großen Bedarf an Ziegeln kam München die Lößlehm-Zunge zwischen Ramersdorf und Ismaning zugute. Der Abbau begann in Haidhausen und breitete sich später über Berg am Laim vor allem nach Oberföhring aus.

Der Zusatz »auf dem Laimb« tauchte erst 1430 im Ortsnamen des heutigen Stadtbezirks Berg am Laim auf. Die Ziegelfertigung aus Lehm (Laimb) wurde auch in Berg am Laim im 19. Jahrhundert zum wichtigsten Wirtschaftszweig, aber ab 1900 lohnte er sich nicht mehr. An die Bedeutung der Ziegel erinnern die beiden lehmfarbigen Muster an den Hintergleiswänden des U-Bahnhofs Kreillerstraße.

Haidhausen galt als Bauern- und Ziegelbrennerdorf. Für 1475 sind bereits 60 städtische Ziegelstadel und Brennöfen in Haidhausen bezeugt. Der Bildhauer Hans Osel* gestaltete 1978 den Ziegelbrenner-Brunnen aus Muschelkalk, der vor der Johanneskirche auf dem Preysingplatz steht. Dargestellt sind ein Ziegelträger und ein Ziegelschläger.

*) Mehr zu Hans Osel im Album über Brunnen

Hans Osel Ziegelbrenner-Brunnen Haidhausen
Hans Osel: Ziegelbrenner-Brunnen

1854 wurde der Vorort von München eingemeindet. Weitere Gemeinden auf der Lehmzunge folgten später: Oberföhring 1912, Daglfing 1930.

Lehmbarone

Einer der »Lehmbarone« bzw. »Ziegelbarone« war Joseph Höchl (1777 – 1838). Der Sohn eines Maurers heiratete zunächst Therese Trisberger (1775 – 1806), eine Stieftochter des Maurermeisters und Ziegelbrenners Matthias Widmann (1749 – 1825), und 1807 in zweiter Ehe deren Stiefschwester Josepha Widmann (1786 – 1877). Anfang des 19. Jahrhunderts kaufte er zwei Ziegeleien in Bogenhausen und brachte es als Baumeister und das Erbe zu einem beträchtlichen Vermögen. Mit seinen Ziegeln wurde ab 1831 die → Mariahilfkirche in der Au gebaut. Das von Joseph Höchl geschaffene Ziegelimperium in Oberföhring ermöglichte es seinem Sohn Anton Höchl (1818 – 1897), einem Architekturmaler, auf einem vom Vater geerbten Grundstück Am Priel einen klassizistischen Landsitz errichten, das »Höchl-Schlössl«, dass sich zu einem Künstlertreffpunkt entwickelte, an denen auch Herzog Max in Bayern (1808 – 1888) teilnahm. 1926 verkauften die Erben das Anwesen der Stadt München, und die ließ das Gebäude 1957 in Privatwohnungen aufteilen. Seit 1982 steht das → Höchl-Schlössl in der Odinstraße 29 unter Denkmalschutz.

Höchl-Schlössl
Höchl-Schlössl

Als Mitte des 19. Jahrhunderts die Münchner Bevölkerung rapide zunahm, deshalb die Bautätigkeit prosperierte und der Bedarf an Ziegeln anschwoll, gewann die 15 km lange, zwei bis drei Kilometer breite und vier Meter dicke Lehmzunge noch weiter an Bedeutung. Den Höhepunkt erreichte die Ziegelherstellung dort in der Gründerzeit vom Deutsch-Französischen Krieg (1870/71) bis zum Ersten Weltkrieg (1914 – 1918). Auch die Schwemmkanalisation wurde mit Ziegeln gebaut.

Mehr als 60 Ziegeleien auf der Lehmzunge lieferten Ziegel für den Bau einer Wohnsiedlung im Westen des 1871 eröffneten – von Friedrich Bürklein ebenfalls mit Ziegeln errichteten – Haidhauser Bahnhofs (heute: → Ostbahnhof). Der Initiator und Investor Karl Freiherr von Eichthal (1813 – 1880) erlebte die Fertigstellung des → »Franzosenviertels« allerdings nicht mehr.

Italienische Gastarbeiter

Weil Deutsche es während der Industrialisierung vorzogen, besser bezahlte Arbeit in Fabriken zu leisten, begannen die Ziegeleien auf der Lehmzunge Mitte des 19. Jahrhunderts, italienische Saisonarbeiter zu beschäftigen, vor allem aus dem Friaul. Angeworben wurden sie nicht vom Ziegeleibesitzer, sondern von einem als »Akkordant« bezeichneten Subunternehmer. Bis Udine 1877 ans Eisenbahnnetz angeschlossen wurde, überquerten die Menschen die Alpen zu Fuß. Auch nach Oberföhring kamen ab 1860 italienische Saisonarbeiter. Dort lebten dann bis zu 700 Italiener neben 900 Einwohnern, und zwar in prekären Quartieren.

Die »fornaciai« (Ziegeleiarbeiter) schufteten mit zwei halbstündigen Pausen von Sonnenaufgang bis 20 Uhr. Kinderarbeit wurde erst durch die Reichsgewerbeordnung von 1878 – theoretisch – auf sechs Stunden am Tag begrenzt. Der mit Loren herbei gekarrte feuchte Lehm wurde von Hand in Formen gedrückt und dann herausgeschlagen. Die mit Grünlingen (Ziegelrohlingen) beladenen Handwagen schob man zum Trocknen ins Freie. Je nach Witterung konnten die Ziegel zwei oder drei Wochen später gebrannt werden. Weil der Trocknungsprozess keinen Forst vertrug, fand das Ziegelbrennen nur von April bis Oktober statt.

Während des Ersten Weltkriegs blieben die Italiener aus. In der Weimarer Republik übernahmen zunächst deutsche Männer und Frauen die harte Arbeit, aber dann begannen die Ziegeleien, einen Teil der Arbeitskräfte durch Maschinen zu ersetzen. Und wo die Abwärme der Brennöfen zum Trocknen der Ziegel benutzt wurde, konnte nun das ganze Jahr über produziert werden.

Das Lehmvorkommen zwischen Ramersdorf und Ismaning versiegte in den Sechzigerjahren. Nach und nach stellten die Ziegeleien den Betrieb ein. Als in den Siebzigerjahren die ersten vollautomatischen Ziegelwerke entstanden, gab es auf der Lehmzunge in München keine Ziegeleien mehr.

Alte Ziegelei

Eine der Ziegeleien in Oberföhring wurde 1899 von Friedrich Pfeifer gegründet. 1905 verkaufte er die Liegenschaft, und 1914 erwarb Josef Haid die Immobilie. Der neue Ziegeleibesitzer baute 1928 ein Maschinenhaus, und bis Mitte der Sechzigerjahre blieb die Anlage in Betrieb.

Alte Ziegelei in Oberföhring
Ehemaliger Trockenstadel der Ziegelei Josef Haid (Foto: Oktober 2025)

Der Verein NordOstKultur München e. V. pflegt einen Trockenstadel und das Maschinenhaus der Ziegelei Josef Haid, die als Industriedenkmäler inmitten der 2014 fertiggestellten Wohnanlage »Alte Ziegelei« erhalten blieben. (Der Stadel wurde allerdings versetzt und verkürzt wieder aufgebaut, und die Außenwände des Maschinenhauses sind neu.) Die anderen Trockenstadel riss man ab, und vom Ort des Ringofen-Kamins zeugt nur noch eine kreisförmige Parkbank.

Alte Ziegelei in Oberföhring

Vor dem Maschinenhaus der Alten Ziegelei sieht man den elektrischen Antrieb und die zentrale Transmissionswelle, die quer durchs Gebäude bis zur anderen Seite reicht. Als die Anlage noch in Betrieb war, zog man mit Lehm gefüllte Loren mit einer Seilwinde fünf Meter hoch ins Obergeschoss des Maschinenhauses. Dort kippten Arbeiter den Inhalt in den Beschicker, dessen Schlagkreuzmühle den Klumpen zerkleinerte, bevor er in den Kollergang (Mahlwerk) befördert wurde, wo zwei tonnenschwere Läufer (Walzen) im Kreis liefen. Die äußere Walze zermahlte die Lehmmasse, die innere quetschte das Produkt durch Rostplatten im Boden auf den Maukteller.

Nach dem Durchlaufen eines Feinwalzwerkes wurde der Lehm in eine Ziegelpresse mit einer mechanischen Förderschnecke (ähnlich einem Fleischwolf) gedrückt, und aus der Öffnung quoll dann ein Lehmstrang, der mit einem Abschneider in einzelne Grünlinge zerteilt wurde.

Literatur:

. Karin Bernst: Oberföhring. Vom Zieglerdorf zum Münchner Stadtteil 1913 – 2013. München 2013
. Erich Kasberger, Winfried Eckardt (Hg.): Lehm Ziegel Stadt. Der Rohstoff Lehm in der Münchner Stadtgeschichte, München 2008