München: Trudering Riem

772 wurde Trudering ‒ »Truhtheringa ‒ erstmals urkundlich erwähnt. Der namengebende Bauer Truchtaro, Truhtheri oder Drudheri lebte wohl schon im 6. Jahrhundert dort. Wo genau die Sippe ihren Hof hatte, weiß man nicht, aber es wird wohl auf dem Areal des heutigen Kirchtrudering gewesen sein.

Riem (»Riema«) taucht spätestens in der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts in Urkunden auf. Der Name könnte von einen mittelhochdeutschen Wort für Ackerstreifen oder auch Kanal abgeleitet sein.

1818 bildeten sich die zwei selbstständigen Gemeinden Riem und Trudering. Die aus dem Doppeldorf Kirch- und Straßtrudering hervorgegangene Gemeinde Trudering vergrößerte sich im Lauf der Zeit um Waldtrudering, Michaeliburg und die Gartenstadt Trudering. Eingemeindet wurde Trudering 1932, Riem fünf Jahre später. Seit 1992 bilden Trudering und Riem den 15. Stadtbezirk: Trudering-Riem.

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München, Stadtbezirk 15: Trudering-Riem
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München, Stadtbezirk 15: Trudering-Riem

Trudering

Utabrunnen

Nach Entwürfen des Künstlers August Erlacher (1873 – 1956) baute Sebastian Neumair 1905/06 einen 14 Meter tiefen Brunnen, der 1914 in einem Areal aufgestellt wurde, das gerade erst den Namen Waldtrudering erhalten hatte. Damals gab es dort ein Gasthaus (»Phantasie«), zwei Dutzend Häuser und zwischen 150 und 200 Gärten.

Der Brunnen an der Ecke Tangastraße / Waldtruderinger Straße erinnert einer Legende zufolge an die bayrische Prinzessin Uta, eine Tochter des Agilolfinger-Herzogs Theodo I. und dessen Ehefrau Gleisnod de Friuli. Die Familie lebte im 7. Jahrhundert in Regensburg. Als Uta schwanger wurde, vertraute sie sich dem Bischof Emmeram an, und der nahm die Schuld auf sich. Ihr Bruder Lantpert ermordete ihn deshalb, und Uta wurde aus Regensburg verbannt. Aus Reue soll sie in Trudering zur Wohltäterin geworden sein. Einer anderen Darstellung zufolge lebte Uta im 11. Jahrhundert in Rott am Inn und schenkte das ihr gehörende Ackerland in Trudering der Kirche.

Hagelsturm am 12. Juli 1984

Als nach einer Hitzewelle am 11. Juli 1984 eine Kaltfront von Westen eindrang, tobte am 12. Juli zwischen Landsberg am Lech und München ein Hagelsturm, der gegen 20 Uhr vor allem in Trudering, Riem, Haar und Anzing die bis dahin höchsten Schäden in der deutschen Versicherungswirtschaft verursachte. Das größte nachgewiesene Hagelkorn wog 300 Gramm und hatte einen Durchmesser von fast 10 Zentimeter. Die bis zu 20 Zentimeter hohe Hagelschicht taute erst am nächsten Tag vollständig ab. Mehrere hundert Personen wurden verletzt, einige starben vor Aufregung während des Unwetters oder aus Überanstrengung bei den Aufräumarbeiten. 70.000 Gebäude wurden beschädigt, mehr als 200.000 Fahrzeuge verbeult. Der Gesamtschaden betrug 3 Milliarden DM.

Flughafen München-Riem

Der Architekt Ernst Sagebiel (1892 – 1970) begann 1936 mit der Planung eines neuen Flughafens in Riem, der den Flugplatz Oberwiesenfeld ablösen sollte. Gebaut wurde 1937 bis 1939. Im Zweiten Weltkrieg zerstörten Bomben 70 Prozent der Anlagen, aber 1948 konnte der Betrieb in Riem wieder aufgenommen werden. 1992 wurde der Flughafen München-Riem allerdings durch den neuen Flughafen »Franz Josef Strauß« im Erdinger Moos ersetzt.

Der denkmalgeschützte Tower des ehemaligen Flughafens wird seit 2017 als Hauptsitz der Brainlab AG genutzt (»The Brainlab Tower«). Beim Abflug-Denkmal am Südrand des Platzes der Menschenrechte handelt es sich ebenfalls um ein Relikt des früheren Flughafens München-Riem.

Die Empfangshalle (»Wappenhalle«) des Flughafens München-Riem wurde 1939 nach Plänen des Architekten Ernst Sagebiel gebaut – aber wegen des Kriegs erst 1951 in Betrieb genommen. Seit 1995 steht die nach Umbauten 2003 als Eventlocation neu eröffnete Halle unter Denkmalschutz.

Flughafen München-Riem: Empfangshalle
Meine Eltern vor der Empfangshalle (Foto: 1957)

Am 10. Februar 1970 versuchten drei Palästinenser, eine El-Al-Maschine auf dem Weg von Tel Aviv nach London während des Zwischenstopps am Flughafen München-Riem zu kapern. Als sie die Crew und die Passagiere überfielen, wehrte sich der Flugkapitän Uriel Cohen (1926 – 2015) und wurde verletzt. Der Passagier Arie Katzenstein (1937 – 1970) starb vor den Augen seines Vaters Heinz, als er sich auf eine in den Flughafenbus geworfene Handgranate warf und anderen das Leben rettete. Unter den Schwerverletzten war auch die Schauspielerin Hanna Maron (1923 – 2014). Die Terroristen wurden festgenommen und noch im selben Jahr ohne Gerichtsverfahren abgeschoben.

Am 10. Februar 2025 – auf den Tag genau 55 Jahre nach dem Terroranschlag – wurden vor dem ehemaligen Tower in Riem ein acht Meter hohes Kunstwerk von Alicja Kwade (*1979) und eine Gedenktafel enthüllt. Die drei Uhren verweisen auf die Zeitpunkte der Explosionen am 10. Februar 1970. Dass die Uhrzeiten je nach Standort verschieden gelesen werden können, ist Absicht: »Das deutet das Unwägbare an, diesen unglücklichen Zufall oder wie auch immer man das nennen soll, dass diese Menschen zu diesem Zeitpunkt an diesem Ort waren. Wer wann wo etwas tut, wer wann lebt, wer wann stirbt.« (Alicja Kwade im Interview mit Evelyn Vogel, Süddeutsche Zeitung, 10. Februar 2025)

Auf einem Teil des 1992 aufgegebenen Flughafengeländes entstanden ab 1994 die neuen Messehallen, die »Messestadt«, und der Riemer Park für die Bundesgartenschau 2005.

Messe München

Die Messe München zog 1998 von der Theresienhöhe nach Riem und vergrößerte die Ausstellungsflächen in mehreren Schritten bis 2018.

Messesee Riem

Vor dem Eingang West der 1994 bis 1998 gebauten Messehallen befindet sich der 390 Meter lange Messesee, der von Nord nach Süd über zwei Spundwände fließt. Im Wasser steht die Installation »Gran Paradiso« von Stephan Huber aus dem Jahr 1997, ein überdimensionales Regal mit Modellen verschiedener Gipfel der Alpen. Mit dieser Parodie auf die Präsentationsregale der Messen kritisiert der Künstler die Kommerzialisierung der Landschaft.

München: Möwe am Messesee
Möwe am Messesee (Foto: Februar 2025)

Messe-Architektur

Das vom Architekturbüro »jesse hofmayr werner« geplante Messe-Parkhaus Nord-West mit 4650 Stellplätzen wurde 1998 bis 2000 errichtet. Im Westen wie im Osten gibt es überdachte Fußwege zwischen den Messe-Eingängen und den U-Bahnhöfen.

München-Riem: Messe-Eingang Ost
Messe-Eingang Ost (Foto: Februar 2025)

WM-Brunnen

Vor dem Nordeingang der Messe München an der Paul-Henri-Spaak-Straße in Riem wurde anlässlich der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 der »WM-Brunnen« aufgestellt. Ein Steinmetzbetrieb in Aicha vorm Wald hatte die Kugel aus einem vor der Bearbeitung 33 Tonnen schweren Impala-Block gefertigt und dabei auf Hundertstel Millimeter genau gearbeitet. Die mehr als 11 Tonnen schwere Kugel gleitet auf einem Wasserfilm in der Schale aus Tittlinger Granit. (Auch im → Westpark gibt es einen Kugelbrunnen.)

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Messeturm

Vor dem Osteingang des Messegeländes in Riem steht seit 1998 der 86 Meter hohe Messeturm aus 450 Tonnen Stahl mit dem Logo der Messe. Franz Kluge (1949 – 2022) hatte sein Werk mit einer dynamischen Lichtinstallation kombiniert (»Moving Tower«, aber die mehr als eine Million Leuchtdioden versagten im Lauf der Zeit und wurden nach einem Kabelbrand abgebaut.

Messestadt Riem

1992 wurde der Flughafen München-Riem durch den neuen Flughafen »Franz Josef Strauß« im Erdinger Moos ersetzt. Auf einem Teil des aufgegebenen Flughafengeländes entstanden ab 1994 zunächst die »Messestadt« und dann auch der Riemer Park für die Bundesgartenschau 2005. Bei der Messestadt Riem handelt es sich um eine weitgehend autofreie Wohnsiedlung für 16.000 Menschen.

Riem Arcaden

Die Riem Arcaden, ein großes Einkaufszentrum am Willy-Brandt-Platz, wurden 2004 eröffnet und 2018 erweitert. Ein Portikus, ein weißes Flugdach, begrenzt den Platz im Norden, vor dem Eingang zum U-Bahnhof Messe-West.

Riem-Arcaden CLICK REFRESH
Willy-Brandt-Platz (Foto: Oktober 2024)
Riem Arkaden München CLICK REFRESH
Riem Arcaden (Foto: Januar 2025)

Im Jahr 2000 stellte man das von dem Bildhauer und Objektkünstler Olaf Metzel (*1954) gestaltete Kunstwerk »Nicht mit uns« am Willy-Brandt-Platz ‒ damals eine Wiese ‒ in der Messestadt Riem auf. Als Titel wählte Olaf Metzel ein Zitat von Willy Brandt. Im Volksmund heißt die seit 2005 auf der Treppe zwischen dem U-Bahnhof Messe-West und den Riem Arcaden platzierte Metallskulptur wegen des Aussehens und der zwiespältigen öffentlichen Meinung dazu »Riem-Reibe«.

München-Riem: Willy-Brand-Platz,m Riem Arcaden
Riem Arcaden, Willy-Brandt-Platz, »Nicht mit uns« (Foto: Februar 2025)

Schmolchwand

2005 schuf der Baldhamer Künstler Steffen Schuster die »Schmolchwand« in einem Durchgang an der Helsinkistraße in Riem. Die Schmolche zeigen, dass hier alle Bewohner ungeachtet ihrer Eigenheiten ihr Leben führen können. 2011 wurden die Schmolche als Marke geschützt. Inzwischen gibt es die Märchenfiguren von Steffen Schuster auch an anderen Orten in München, so zum Beispiel in der → Passauerstraße 118 im Stadtbezirk Sendling-Westpark.

Platz der Menschenrechte

2003 erhielt der Platz der Menschenrechte in Riem seinen Namen. Der bezieht sich auf die 1948 von den Vereinten Nationen beschlossene »Allgemeine Deklaration der Menschenrechte« und die »Europäische Konvention der Menschenrechte« von 1950.

Auf dem Platz der Menschenrechte gibt es dazu seit 2005 ein Kunstwerk der Bildhauer Berthold Hörbelt (*1958) und Wolfgang Winter (*1960): Auf einem symbolischen Tisch mit 30 Gedecken sind die Artikel der Deklaration der Menschenrechte eingraviert.

Platz der Menschenrechte, München-Riem
Winter/Hörbelt: Menschenrechte (Foto: Februar 2025)

Ökumenisches Kirchenzentrum in Riem

2003 bis 2005 wurde am Platz der Menschenrechte in der Messestadt Riem ein ökumenisches Kirchenzentrum nach Entwürfen des Münchner Architekten Florian Nagler (*1967) gebaut. Die Sophienkirche ist evangelisch, die Kirche Sankt Florian katholisch. Die Gebäude sind betont nüchtern und rechtwinkelig. Das gilt auch für den 38 Meter hohen Kirchturm.

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Sophienkirche in Riem (Foto: Juni 2023)

Die Künstlerin Hella Santarossa (*1949) schuf nicht nur das 7 mal 17 Meter große »Auferstehungsfenster« in St. Florian, sondern auch die roten Glasröhren in der Taufkapelle und das Nordfenster, dessen blaue Farbe sich auf die Marienverehrung bezieht. 2010 kamen das aus Glasfeldern von 14 Türen zusammengesetzte Kreuzweg-Panorama von Horst Thürheimer (*1952) und die Figuren des Bildhauers Stephan Balkenhol (*1957) dazu.

St. Florian in Riem CLICK REFRESH
St. Florian in Riem CLICK REFRESH

St. Florian in Riem (Fotos: Juni 2023 / Oktober 2024)

Riemer Park

Die Parkanlage

Der Riemer Park entstand nach Plänen des französischen Landschaftsarchitekten Gilles Vexlard (Büro Latitude Nord, Paris) für die Bundesgartenschau in München vom 28. April bis 9. Oktober 2005. Während beim Ostpark, Westpark und Olympiapark in München ebenso wie beim Denninger Anger hügelige Landschaften angelegt wurden, machte Gilles Vexlard das Gegenteil: der Riemer Park ist von schnurgeraden Linien durchzogen. Nur der See und einige wenige Flächen fügen sich nicht in die Symmetrie.

Riemer See

Der 800 Meter lange, 150 Meter breite und bis zu 18 Meter tiefe Riemer See (BUGA-See) wurde ebenfalls für die Bundesgartenschau vom 28. April bis 9. Oktober 2005 angelegt. Im Osten befindet sich das Badeufer, und auf der gegenüberliegenden Seite überspannt ein die Messestadt Riem mit Gronsdorf verbindender Fußgängersteg die Flachwasserzone.

Löwenspinne

Ihm Rahmen des BUGA05-Kulturprogramms formte die damalige Münchner Kunststudentin Monica Felgendreher aus Wäschespinnen ein Kunstwerk, das wie eine überdimensionale Pusteblume aussieht und den Titel »Löwenspinne« trägt, eine Kombination aus den Begriffen Wäschespinne und Löwenzahn.

Monica Felgendreher Löwenspinne CLICK REFRESH
Monica Felgendreher: Löwenspinne (Foto: Juni 2023)

Garten der Freundschaft

Beim Garten der Freundschaft im Riemer Park handelt es sich um ein Geschenk der Stadt Cincinnati/Ohio anlässlich der Bundesgartenschau 2005. Der Weg durch den Garten ahmt den Flusslauf des Ohio nach, und die Modellierung der Fläche entspricht den sieben Hügeln im Stadtgebiet von Cincinnati. Die Pflanzen sind charakteristisch für Gartenanlagen in Ohio. Zwei scheibenförmige Mosaike zeigen München und Cincinnati von oben. Geschaffen wurden sie von zwei Künstlerinnen aus den beiden Städten. Suzanne Bühler schuf 2004 das Münchner Mosaik.

U-Bahnhöfe im Stadtbezirk Trudering-Riem

U-Bahnhof Moosfeld

Der U-Bahnhof Moosfeld in Riem wurde im Mai 1999 eröffnet. Das Lichtkonzept stammt – wie am U-Bahnhof Westfriedhof – von Ingo Maurer.

U-Bahnhof Messestadt West

Der U-Bahnhof Messestadt West in Riem wurde am 29. Mai 1999 eröffnet. Trotz oder gerade wegen seiner Bedeutung als Messebahnhof hat man bewusst nicht auf eine aufwendige Gestaltung gesetzt, sondern auf (rot lasierten) Sichtbeton.

U-Bahnhof Messestadt Ost

Der Zugang zur 1999 eröffneten U-Bahn-Station »Messestadt Ost« erfolgt durch den vom Bildhauer Blasius Gerg (1927 – 2007) gestalteten trichterförmigen Sonnenuhrenhof.

Album über Münchner U-Bahnhöfe