Archäologische Staatssammlung

Der Physiologe und Anthropologe Johannes Ranke (1836 – 1916), ein Neffe des Historikers Leopold von Ranke, schenkte dem Staat Bayern 1885 seine Kollektion prähistorischer Objekte. Das gilt als Gründung der Prähistorischen Staatssammlung in München und Vorläufer der heutigen Archäologischen Staatssammlung.

1976 bezog die Einrichtung, die Museum und Sammlung zugleich ist, den von den Architekten Helmut von Werz (1912 – 1990), Johann-Christoph Ottow (1922 – 2012), Erhard Bachmann (*1939) und Michel Marx (*1939) entworfenen Neubau in der Lerchenfeldstraße 2. Dabei handelt es sich um ein mit Cortenstahl verkleidetes Bauwerk aus Stahlbeton. 2016 bis 2024 wurde das Gebäude der Archäologischen Staatssammlung – so die Bezeichnung seit 2000 – nach einem Konzept von Nieto Sobejano Arquitectos saniert. Ausgestellt sind Kunst- und Alltagsobjekte, Grabbeigaben und Schatzfunde.

Archäologische Staatssammlung
Archäologische Staatssammlung, Lerchenfeldstraße 2 (Foto: April 2024)
Archäologische Staatssammlung
Archäologische Staatssammlung: Schaukasten

Ausstellungsraum mit begehbaren Schaukästen / konventioneller Schaukasten in der Archäologischen Staatssammlung

Steinzeit

1908 wurden in den Ofnethöhlen bei Hofheim im Landkreis Donau-Ries Schädelbestattungen aus der Zeit um 6300 v. C. – also der jüngeren Mittelsteinzeit – entdeckt, darunter das sog. »kleine Schädelnest« mit sechs Schädeln.

In einem Grabhügel in Wallersdorf (Landkreis Dingolfing-Landau) wurde das Skelett eines Mitte des 3. Jahrtausends vor Christus in gehockter Bauchlage bestatteten Mannes entdeckt.

In einem Schaukasten der Archäologischen Staatssammlung sind unter der Überschrift »Häusliche Kulte« Statuetten der Jungsteinzeit ausgestellt.

Funde aus vorchristlicher Zeit

Die Urkunde – 70 Zeilen Keilschrift auf einem gebrannten Tonzylinder – wurde in der Regierungszeit des Königs Sin-iddinam von Larsa – 1849 bis 1843 v. C. – in einem Bauwerk vermauert. Der altbabylonische König feierte sich mit dem Text nicht zuletzt dafür, dass er den Fluss Tigris hatte ausbaggern lassen, um die Wasserversorgung zu verbessern.

Das goldene Kultgefäß aus dem 10./9. Jahrhundert v. C. wurde bei einem Sonnenkult in der späten Bronzezeit verwendet. Grabräuber fanden es in der Umgebung von Heroldingen im Landkreis Donau-Ries.

Bei Bauarbeiten in Otzing bei Deffendorf stieß man im Sommer 2011 auf ein Fürstengrab aus dem 7./6. Jahrhundert v. C., also aus der Eisen- bzw. frühen Keltenzeit. Die ursprünglich mehr als einen Meter hohe Grabkammer war im Lauf der Zeit auf 5 Zentimeter zusammengepresst worden. 2011 bis 2020 hoben die Experten der Archäologischen Staatssammlung die hölzerne Grabkammer in zwei kompakten Blöcken aus dem Boden und brachten sie nach München, um sie in Millimeter dicken Schichten zu erforschen. Vier Jahre dauerte die Arbeit.

Bei Grabungen in Ilmendorf (Landkreis Pfaffenhofen a. d. Ilm) entdeckten Archäologen 2009 das Grab einer beim Tod 25 bis 35 Jahre alten Frau aus dem 6. Jahrhundert v. C. Der wertvolle Schmuck weist auf den Reichtum der Familie der Toten hin.

Frauengrab von Ilmendorf
Frauengrab von Ilmendorf (Foto: April 2024)

Römische Kaiserzeit

Nicht nur die künstlerische Qualität der Bildhauerarbeit, sondern auch der Schoßhund und die feine Kleidung der Frau lassen darauf schließen, dass das Grabmal in Kellmünz an der Iller aus dem 2. Jahrhundert einer vornehmen Familie gehörte. Von deren Reichtum zeugt auch das wertvolle Material: aus Südtirol importierter Marmor.

Archäologische Staatssammlung: Römische Kaiserzeit
Sitzstatue

Unter den ausgestellten Glasgefäßen befindet sich eine Spitzamphore aus dem 2. Jahrhundert. Gefunden wurde sie als Urne in einer römischen Nekropole nördlich von Pförring (Landkreis Eichstätt).

Die römische Armee trainierte in der Kaiserzeit auch bei Reiterspielen. Die dabei verwendeten Masken der Gegner symbolisieren den Gegensatz zwischen Gut und Böse. Während die in Straß-Moos (Landkreis Neuburg-Schrobenhausen) entdeckte Maske aus dem 2. Jahrhundert die Züge Alexanders des Großen trägt und für den Okzident steht, zeigt das hundert Jahre jüngere Gegenstück aus Eining (Landkreis Kelheim) einen verweichlichten (Locken) und im Luxus (Schmuckstein) schwelgenden Orientalen.

Die in einer Waffenkammer in Künzing (Landkreis Deggendorf) gefundene Militärausrüstung aus der Römischen Kaiserzeit wird auf Mitte des 3. Jahrhunderts datiert.

Das Bodenmosaik aus der ersten Hälfte des 3. Jahrhunderts stammt aus dem Speisesaal einer Villa der Römischen Kaiserzeit in Stammham-Westerhofen (Landkreis Eichstätt) am Rand des Köschinger Forstes. Im Zentrum befand sich ein Becken mit Wasserspiel.

»Glaube und Religion«

Der zur Archäologischen Staatssammlung gehörende Saal »Glaube und Religion« wird von einer gestürzten römischen Jupiter-Giganten-Säule dominiert, deren Trümmer unter dem Titel »Wirren der Spätantike« zusammengestellt sind. – In einem Schaukasten mit dem Titel »Hausheiligtümer« sind Statuetten römischer Gottheiten ausgestellt.

Archäologische Staatssammlung
Archäologische Staatssammlung

Gestürzte Jupiter-Giganten-Säule (Fotos: April 2024)

Archäologische Staatssammlung
Archäologische Staatssammlung
Archäologische Staatssammlung

Hausheiligtümer (Fotos: April 2024)

Glas und Schmuck aus dem 5. bis 7. Jahrhundert

Das Glasgefäß aus der Zeit um 600 entdeckte man in Unterspiesheim im Landkreis Schweinfurt.

Glasgefäß aus Unterspiesheim
Glasgefäß aus Unterspiesheim

»Moorleiche« in der Archäologischen Staatssammlung

Ende des 19. Jahrhunderts gelangte eine aus dem 15. bis 17. Jahrhundert stammende Frauen-Trockenmumie aus Südamerika nach München. Ob es sich um eine der von Prinzessin Therese von Bayern, der einzigen Tochter des Prinzregenten Luitpold, auf ihren Expeditionen erworbenen Mumien handelt, ist nicht sicher. 1904 tauchte die Mumie als »Moorleiche aus dem Dachauer Moos« in den Inventarbüchern der Anatomischen Anstalt München auf. Diese wurde 1945 durch Bombentreffer zerstört. Weil die Frauenmumie, die bei der Schuttbeseitigung zutage kam, für ein Kriegsopfer gehalten wurde, bestattete man sie. Nach der Entdeckung des Irrtums gelangte die Mumie 1977 in die Archäologische Staatssammlung, wo sie bis 2007 als »Moorleiche aus dem Dachauer Moos« ausgestellt wurde. Erst danach erkannte man bei einer wissenschaftlichen Untersuchung den Irrtum.

Archäologische Staatssammlung: Moorleiche
»Moorleiche« (Foto: April 2024)

Zeitgeschichte

Das Kaffeegeschirr des damaligen Cafés Deistler in München wurde bei einem Bombenangriff am 7. Januar 1945 verschüttet. Bei archäologischen Ausgrabungen am Marienhof im Rahmen der S-Bahn-Bauarbeiten hat man die Reste 2012 geborgen.

Archäologische Staatssammlung: Kaffeegeschirr
1945 verschüttetes Geschirr (Foto: April 2024)